Das Märchen von der modernen Diät
Es war einmal ein Irrglaube oder besser gesagt: es waren einmal die Irrglauben…so oder so ähnlich könnte man anfangen wenn man sich über moderne Diätformen einen Überblick verschaffen will. Wobei Überblick hier etwas suggeriert, was es so nicht mehr geben kann. Der Versuch sich einen Bild aus der Vogelperspektive über Diäten zu verschaffen dürfte genauso einfach sein wie „sich einen Überblick über alle mehrzelligen Lebewesen zu verschaffen“. Aber von Vorn…
Was meint das Wort Diät? Der Duden sagt es sei eine: „[…]auf die Bedürfnisse eines Kranken, Übergewichtigen o. Ä. abgestimmte Ernährungsweise[…]“[i]. Die Website Lebensmittellexikon nennt sie: „[…]Ernährungsformen, die sich von der üblichen Ernährung durch ihre Zubereitung, Menge und/oder Zusammensetzung unterscheiden.[…]“[ii] Wikipedia sagt dazu: „[…]Diät kommt von griechisch δίαιτα (díaita) und wurde ursprünglich im Sinne von „Lebensführung“/„Lebensweise“ verwendet. Die Diätetik beschäftigt sich auch heute noch wissenschaftlich mit der „richtigen“ Ernährungs- und Lebensweise“[iii]. Und hier sehen wir die ersten Missverständnisse in unseren Köpfen entstehen.
Fangen wir mit der Definition aus dem Duden an. Was steht da? Eine auf die „Bedürfnisse (!!!) […] abgestimmte Ernährungsweise“. Nun…was ist denn das Bedürfnis Deines Körpers? Kannst Du den Finger darauf legen was er zu viel bekommt und vor allem aber was ihm fehlt? Wenn ja: herzlichen Glückwunsch! Ein großes Blutbild (dies sollte dafür mindestens erforderlich sein) erhält man heute nicht ohne weiteres von der Krankenkasse. Natürlich kann als Indikation auch ein Ernährungstagebuch dienen. Absolut kann es nicht gelten, da aus ihm nicht hervor geht wie Dein individueller Körper bestimmte Dinger „verstoffwechselt“. Zudem scheitern die dieser Tagebücher an zwei Dingen. Zum einen wissen wir recht selten wie viele Milligramm von diesem und jenem drin sind. Zum anderen fehlt uns[iv] die notwendige Disziplin ein derartiges Protokoll in erforderlicher Detailtiefe zu führen.
Die Definition aus dem Lebensmittellexikon bietet auch gewissen Spielraum. Denn mal ehrlich: was ist eine „übliche Ernährung“? Isst Du jede Woche das gleiche? Oder hast nicht auch Du eher Phasen? Mir geht es so: ich habe Zeiten, da kann ich nur Süßkram in mich reinschaufeln. Dann gibt es wieder Monate, da will ich es nicht mal sehen![v] Dann habe ich Zeiten, da finde ich nichts toller als ein schönes Pastagericht. 7 Tage die Woche Nudeln? Klar find ich auch mal gut. Manchmal auch wieder nur Gemüse, Fleisch und Kartoffeln. Was ich sagen will: etwas wie eine „übliche Ernährung“ gibt es in meinen Augen gar nicht. Klar kannst Du jetzt sagen: „Ha! Ich habe die Komponente gefunden die sich durch dein Essen zieht! Es sind die Kohlenhydrate!!!“ Hm…ernsthaft? Immer noch den Teufel schnell an die Wand malen? [vi] Aber wir kommen dazu gleich. Noch etwas Geduld.
Bevor wir im Thema weiter machen schauen wir uns noch die Definition aus Wikipedia an. Hier speziell die letzten 4 Worte aus der von mir zitierten Stelle: „richtigen“ Ernährungs- und Lebensweise“. Bitte lies die Stelle nochmal und lies sie laut. Hast du auch beim Wörtchen „und“ eine kleine Pause beim Sprechen gemacht? Ja? Dann lies den Abschnitt jetzt mal mit der Betonung auf dieses kleine Wörtchen. Drei Buchstaben und doch so bedeutsam. Jeder der einmal in der Programmierung, der Mathematik, der Rechtsprechung oder ähnlichen Bereichen unterwegs war weiß um die Macht dieser drei Buchstaben. So bedeutet „Und“ eine zwingende Verbindung. „Und“ ist nicht Oder. „Und“ ist nicht Vielleicht. „Und“ ist nicht „wenn es Dir in den Kram passt und Du eventuell Zeit hast das auch noch zu machen“. „Und“ ist gesetzt. Wahrscheinlich werden wir auch deshalb zu Mann Und Frau erklärt und nicht zu Mann mit Frau. Leider vergessen die meisten Diäten den zweiten Punkt: Lebensweise! Und ich meine jetzt nicht Sport. Zu Lebensweise gehört viel mehr. Die schönen Worte der „ganzheitlichen Betrachtung“ kommen wieder in den Sinn.
Wer Diät sagt, der meint meistens Essen. Aber wer Diät sagt, der sollte vor allem Lebenswandel meinen. Die meisten der aktuellen Diäten, egal ob aus Büchern, Magazinen oder Zeitschriften bügeln das Thema auf einen Nenner runter der einfach mit „Essen“ zu benennen ist. [vii]
Gib das Wort Diät mal bei Google ein! Was passiert? Das hier passiert:[viii]
Du erhältst 40,5 Mio. Einträge! [ix]Zum Vergleich: wenn Du nach „Smartphone“ suchst bekommst du gerade mal 0,6 Mio. Einträge. Glauben wir wirklich, dass wir hier jetzt Seitenweise Tipps zu gesunden Lebenswandel bekommen werden? Eher nicht, oder? Womit gehen diese Suchergebnisse los? Klar, mit Zeitschriften, Tests, Berichten, Vergleichen, dann Nachrichten welcher Star grad welche Diät macht und immer wieder Bilder von Äpfeln.[x] Was verbirgt sich hinter den meisten Seiten? Pläne für: „so werden Sie ruck zu *beliebige Anzahl von Kilo hier eingeben* los!“[xi]. Oder aber meine persönlichen Favoriten: extreme Crash Diäten wie die Low Carb und (das genaue Gegenteil) die High Carb Diät[xii].
Ein Kampf von Extremen
Während die Diäten aus den (meistens Frauen-) Magazinen im schlimmsten Fall zu Speisen führen, welche wir nur mit viel Liebe verzehren können, sind die zuletzt genannten immer umstrittener. Wahrscheinlich ist das auch der Grund warum Sie immer beliebter sind.[xiii] Ich werde jetzt nicht damit anfangen die Vor- und Nachteile der jeweiligen Diätformen aufzulisten. Ganz ehrlich? Wer das notwendige Interesse[xiv] aufbringt, möge sich gerne einen Nachmittag in einer gut sortierten Buchhandlung einfinden und mal in 2-3 Exemplare aus jeder Sparte reinlesen. Falls er am Ende eines der Bücher kaufen willst: auch OK. Du hast sicher schon schlechter Geld ausgegeben als für ein paar Stunden Zeitvertreib. Was man jedoch wissen muss wenn es um Kohlenhydrate geht: es ist mittlerweile eher eine Kreuzzug mit Wissenschaftlichem Hintergrund. Auf der einen Seite kämpfen die „High Carb Hunters“ auf der Suche nach den richtigen Fetten.[xv] Die andere Seite wird verteidigt von dem „Lone Rangers of Low Carb“ auf der Suche dem Körper alles zu geben außer eben Kohlenhydraten (bedarfsweise auch mal auf der Suche nach ewiger Jugend[xvi]).
Warum finden so viele Leute die Ideen hinter den Beiden Diäten so gut? Ganz einfach: weil die Ideen so simpel sind. „Lass einfach das Fett/die Kohlenhydrate weg und schon wird alles super.“ Und darauf lässt sich alles reduzieren. Das wird als Mantra durchexerziert. „Tue nichts außer, dass du das Fett/die Kohlenhydrate weg lässt, das reicht aus.“ Im Alltag lernen wir schnell die Grenzen des ganzen kennen. Sie lauten: schnelle Mittagspausen, Milch im Kaffee, Jobs die das Kochen und das Essen von uns erfordern, fehlende Zeit in der Zubereitung…und so weiter. Und so lassen sich sehr schnell immer wieder Ausreden finden. Ausreden, warum „ja Low/High Carb so eine tolle Idee ist“, aber man ja leider nicht dazu in der Lage ist sie anzuwenden…und „ich werde das Ganze ja dann mal im Urlaub ausprobieren/habe das im Urlaub mal ausprobiert, aber jetzt im Alltag? – Puh! Schwer durch zu halten!“… „Aber es ist ja bald wieder etwas ruhiger, dann werfe ich mit der Low/High Carb Diät wieder was ab!“ Damit haben wir es ganz unbemerkt vollbracht! Wir haben die Verantwortung für das wertvollste was wir haben soeben abgegeben. Wir haben soeben gesagt: meine Gesundheit kann warten! Und wir haben gesagt: Meine Gesundheit darf nur in einem abgegrenzten Zeitraum (nämlich Urlaub, ruhigere Zeiten etc.) stattfinden. Glückwunsch zu dieser Entscheidung. Ab zum nächsten Burger Bräter! Ach Nein…lieber Sandwich Laden…oder doch lieber Low Carb aus der Salatbar? Egal Hauptsache sich nicht zu sehr mit den eigenen Lebensmitteln befassen.
Was reizt uns immer wieder an diesen Radikalkuren? An diesen vollständigen „Auf den Kopf stellen“? Ist es der Knall und der Moment mit dem es beginnt? Ist es die Idee sagen zu können: Ich habe es versucht? Der Gedanke: „Versuchen ist die halbe Miete!“? Warum versucht dann nicht einfach jeder von uns einen Parcours im Snowboard Funpark zu fahren?[xvii] Richtig! Weil wir uns ohne die nötige Übung alle Knochen mindestens einmal brechen würden! Um eine Radikalkur zu schaffen muss man darauf vorbereitet sein. Man muss wissen was auf einen zukommt. Man muss wissen wie darauf zu reagieren ist.
Diese radikalen Einschnitte in der Ernährung reizen uns außerdem, weil sie so viele Schlupflöcher haben. So viele Gelegenheiten zu sagen: „ach misst! Mach ich aber morgen!“ Damit wird Scheitern für einen selbst und für das Umfeld sozial Akzeptabel. Weil „er es ja nun auch schon auf die harte Tour versucht, aber auch das gelingt dem armen Teufel nicht!“ So, so…die harte Tour also? Die harte Tour wäre es, auf den Gedanken der Diät zurück zu kommen. Der Gedanke, dass Diät von „Lebenswandel“ kommt und nicht von „Essen“. Eine Umstellung der Gewohnheiten. Ein Umdenken. Neudefinieren von Ansprüchen. Man kann sich nicht schlank essen. Man kann sich nicht gesund essen. Oder glauben wir wirklich, dass unser Körper (den wir wohl mit recht für eines der komplexesten Gebilde auf unserer Erde halten) einfach wie eine Maschine funktioniert und einen Schalter hat? Einen Knopf der Fettverbrennung ein oder aus schaltet? Glauben wir das wirklich?
Fazit:
Lebensweise meint nicht nur Sport und Ernährung. Natürlich sind das wichtige Bausteine. Es geht aber auch um so einfach Sachen wie: habe ich Freude an dem was ich tue[xviii]? Bekomme ich das für mich richtige Maß an Schlaf? Bin ich in dem für mich richtigen Maß ausgelastet oder positiv gestresst? Kann ich negativen Stress auf ein für mich gutes Niveau reduzieren? Passt mir mein soziales Umfeld? Und diese Fragen lassen sich nahezu beliebig erweitern. Bei einem Auto wundert sich niemand, wenn es auf einer schlechten Straße schlecht fährt. Oder mit heißem Motor nicht mehr das leistet was es mal leisten konnte. Bei uns selbst achten wir aber nicht auf den Weg auf dem wir gehen und wie lange wir schon „im roten Bereich“ fahren. Das ist die Verantwortung die jeder für sich selber hat.
Gesundheit[xix] und Lebensfreude sind nicht durch irgendwelche „High-End-Produkte“ oder durch die Durchführung der nächsten Diätmode zu erlangen. Sie sind in erster Linie in Deiner eigenen Verantwortung. Du bist dafür zuständig und nur Du kannst dich um dich kümmern.
In diesem Sinne: wenn Ihr glaubt, dass dies Themen sind die euch auch etwas angehen (und glaubt mir: das tun sie!), dann seit ihr herzlich willkommen mir zu folgen! Ich freue mich auf euer Feedback und auf eure Anregungen für weitere Artikel!
Viele Grüße
Euer Tilo
[iv] A. d. A.: Ich schließe mich hier nicht aus. Auch ich habe es schon mit verschiedenen Medien probiert. Angefangen bei einem Büchlein, über Tabellen auf dem PC bis hin zu Apps und zurück zu nichts.
[v] A. d. A.: Ja meist kommt die eine Phase nach der anderen.
[vii] Wie sonst ist es zu erklären, dass wirklich jeder einen Diät Tipp für dich hat? Klar, auch ich kann es mir nicht verkneifen mich auf eine Apfelkiste zu stellen und meine Gedanken in die Welt zu tragen.[vii]
[viii] Eingabe des Wortes Diät in die Suchmaschine Google
[ix] A. d. A.: beim zweiten Suchlauf waren es 111 Mio. Treffer in 0,29 Sekunden
[x] Am Rande die Frage: wer hat eigentlich diese Frucht zum Stellvertreter der Diätkultur ernannt? War es nicht der Apfel, der uns aus dem Paradies gerissen hat? Und erklärt sich damit vielleicht warum wir Angst vor Diäten haben? Weil Sie uns (durch den Apfel versinnbildlicht) aus dem Paradies reißen? :-)
[xii] Es mag Unzählige weitere Diäten geben. Bitte seht die beiden Beispiele nur als das was sie sind: Beispiele jedweder extremen Diätform.
[xiii] Nur wer polarisiert ist noch interessant und nur wer scheinbar klare Kannte bekennt ist stark und damit gut.
[xiv][xiv] A. d. A. und vor allem Kleingeld, denn wir reden hier davon, dass Du eine ganze Industrie ernähren musst
[xvi] http://www.strunz.com/
[xvii] https://www.youtube.com/watch?v=GBlNTHx_swY
[xviii] Im Zweifel ist hier die Frage zu stellen: habe ich Freude an der Art wie ich mein Geld verdiene?
[xix] Hier ist nicht die Rede von schweren ggf. vererbten Krankheiten, sondern von Themen wie Übergewicht, Herzinfarkt, Schlaganfall und so genannten Zivilisationskrankheiten.
